es fällt schwer, wenn vom Offensichtlichen die
Rede sein soll - und damit auch von Oberflächen - nicht auf die momentane
politische Situation Bezug zu nehmen. Deshalb soll hier auch garnicht der
Versuch gemacht werden, dies auszuklammern, um gegebenenfalls zu irgendeinem
Kern einer Sache vorzustossen - denn wir bezweifeln mittlerweile zu Recht, ob
es einen Kern gibt, wenn von einer Sache die Rede ist, oder - wenn von von
Zusammenhängen gesprochen wird, dass die Sachen, die sie angeblich ausmachen,
in dieser Art auch tatsächlich einen überschaubaren Bereich ausmachen.
Worauf ist ein kriegerischer Akt, der bisher -
neben realen Truppenbewegungen - wesentlich aus Ankündigungen und
Verlautbarungen auf der Folie einer mehr oder weniger vernetzten Weltöffentlichkeit
besteht ausgerichtet? Wird Zeit gefüllt oder geschunden? Oder wird sie einfach
verbracht? Geht es um die Dramatisierung der Zeit und die Intensität der
Füllung? Oder um die Apotheose der Redundanz? Wir gewöhnen uns an die Abfolge
der gleichen Gesichter und Stimmen, die sich wie auf einem klassischen Fries in
veränderter Form, doch gleichbleibender Figuration an uns vorbeischiebt.
Aussehen, Duktus, Sprache, der Rhythmus der Schnittfolgen und die Reihung der
Auf- und Abgänge bleibt, vielleicht verändert sie sich auch, aber wenn, dann
nur minimal - vielleicht wird die Farb-Analyse der TV-Ausstrahlungen ergeben,
dass sich das summarische Grau langsam in Richtung Khaki verschiebt? Dieser
Schleier, welche Farbe er auch immer haben mag, verdeckt allerdings keineswegs
die sich dahinter ausbreitende Unruhe. Vielleicht ist er allerdings eher ihre
Unterlage - oder er bewegt sich parallel als eine Art zuschaltbares Additiv,
das den vorhandenen Verunsicherungen als Begleitmelodie dient? Wir können
schwer sagen, welche Art die Beunruhigung ist - sind wir beunruhgt weil wir letztendlich
die Faktizität des Gezeigten akzeptieren,
oder sind wir beunruhigt, weil wir uns sicher sind, dass nichts davon stimmt -
weil die mediale Darstellung nur der Propaganda der jeweiligen Interessengruppe
nützt? Eine weitgehendere Beunruhigung mag allerdings daraus resultieren, dass
gleichzeitig beide Begründungen stimmen, sich brauchen, erzeugen und auch
wieder ausschliessen.
Ich stelle fest, dass meine seit langem
antrainierte Methode, unter der Oberfläche nach Gründen zu suchen nicht deshalb
frustriert wird, weil es keine Gründe mehr gibt. Nein. Es gibt einfach zuviele
- und die Vielfalt der Gründe führt mich zurück an den Ausgangspunkt - zu den
Erscheinungen - bzw. dem was dazu gemacht wurde. Oder dem, was ich gern als
Erscheinung sehen würde - weil die schiere Menge des Erzeugten mir keine Wahl
lässt, an irgendeinem Punkt eine Gegebenheit anzunehmen. Nicht dass ich ihr
glauben würde, aber es bleibt eben nicht anderes übrig. Annahmen, eben. Die
offensichtliche Notwendigkeit "anzunehmen" heißt auf der Oberfläche
zu operieren unter bewusstem Verzicht auf das, was früher einmal
"Tiefe" hieß.
Ich beschreibe ein Methoden-Problem... Jeder
Versuch, ernsthafterweise Vorgängen oder interaktiven Zusammenhängen eine
Kausalität zuzuordnen führt nicht in eine klarere, deutliche und vor allem
eindeutigere, übersichtlichere Position, sondern lediglich auf eine Ebene die
die Relationen in anderer Form mischt, überlagert, schneidet oder
perspektiviert.
Wobei die Medien in einer Doppelrolle
auftreten: sie sind gleichzeitig Verursacher und Opfer.
Neulich sah ich in einer Musik-Show einen
Auftritt von Pink - familiy portrait - ein vergleichsweise ganz guter Titel,
ich fragte mich, ob dies, angsichts der momentanen Struktur-Krise des
Medienmarktes, wohl ein kleinerer, oder ein mittlererHit werden würde. Klar ist
natürlich, dass angesichts der ständig steigenden Menge des Angebots die
Halbwertszeit von Hits und Interpreten entsprechend
sinken... dann ist natürlich auch die Menge des innovations-fähigen Materials
mittlerweile relativ zusammengeschmolzen - immer mehr Komponisten bedienen sich
aus einem Topf mit endlicher Menge harmonischer Variationen. Hier kann
natürlich eine neue Form der Urheberrechts-Sprechung neue Spielräume schaffen -
Tonfolgen, die früher als Plagiate gehandelt wurden, sind heute möglicherweise
nur noch "ähnlich". Bereits Bestehendes wird in immer schnellerer
Folge in den Kreislauf des Recyclings (oder Samplings) miteinbezogen - fehlende
Menge (oder Dichte) wird so durch grössere Geschwindigkeit ausgeglichen. Und
was die einzelnen Klänge angeht, ist eine Segmentierung bestehender Klänge oder
Klangfolgen und ihre Neukonfiguration mittlerweile live handhabbar. Bein
einigen Musiktiteln ist dies z.B. daran ablesbar, dass die zuerst instrumental
produzierten Klänge im selben Stück später nocheinmal in gesampleter Form
vorkommen - oder dass die Stimme der Sängerin mit ihren live abgenommenen
Stimm-Samples unterlegt ist.
Man könnte meinen, dass eine geschickte
Mechnik es versteht, jegliche Dynamik in immer schnellerer Folge auf eine
Oberfläche zu projizieren oder, je nachdem, in unserer Gehörgänge.
Stattdessen ist es wohl eher so, dass eine
besondere Quelle unseres Weltbehauptungsvermögens angezapft wird - die
Fähigkeit zur Konstruktion (oder sollte ich sagen "Projektion"?) von
Einheiten. Was ist Entität und was nicht? Was ist Formzusammenhang und was ist
Element? Wie unser Erkennen - als stetiges Segementieren und Re-Synthetisieren von
Gestalt - sich in der Welt sozusagen greifbarer Dinge seinen Weg schafft, so interagiert
es genauso mit weitgehend synthetisierten Zusammenhängen - Musik, die Musik von
Musik ist, oder Bildern, die als Bilder von Bildern entstehen - der Reiz,
vielleicht ein übersetzter Zwang, scheint zu sein, auch solchen referentiell
verwobenen Komplexen eine Form zuzuordnen. So liesse sich zumindest die Freude
an schlecht gesampleten Klängen als eine Art der Entlastung von der
Notwendigkeit verstehen, eine Gestalt-Zuteilung vollziehen zu müssen, ohne
genau zu wissen, was Original und was Kopie, oder - wie dies öter der Fall ist
- was Kopie x1und was Kopie x2 ist...
Die Offensichtlichkeit der Oberflächen heißt
uns mit Resultaten umzugehen - ohne deren Herkunft zu kennen - wir wissen, oder
besser wir spüren - alles ist produziert und dies betirfft längst nicht nur die
medial re-präsentierte Welt.
Belastend dabei ist natürlich die Tatsache,
dass die frühere (immerhin vorgebliche) Durchdringbarkeit der Oberflächen mit
handgreiflichen Fass-oder Machbarkeiten einherging. Die Hand, die schreibend
dem Licht der Aufklärung seinen Weg bahnte, der Körper, der das
Musik-Instrument als Pendent und Gegener handhabte, der Pinsel der den Weg des
Auges mit seinen Spuren vorvollzog - all diese analogen Tätigkeiten sind
zwischen die opaken Funktionen gerutscht, die uns den Zugang zu einer
gestalthaften Identifikation mit demverstellt, was diese Oberflächen
produziert. Nunja. Vielleicht nicht ungerechtfertigterweise - denn die
Identifkation mit einer anderen Hand, mit einem anderen Körper oder einer Spur
waren möglicherweise auch nur Übetragungen, die davon ablenkten, dass die Hand,
die angeblich den Körper verlängerte, ihn vertrat, ihn zur Stelle sein ließ,
dies auch nicht für diesen entsprechenden Körper tat, sondern nur
stellvertretend ffür ein Prinzip der Machbarkeit. mittlerweile - im Zeitalter
der digitalen Auflösung wären wir
seltsamerweise an dem Punkt angekommen an dem die Medien, das von uns
verursachte auch ausdrücken - nämlich nichts.
Es scheinen sich - demgegenüber - zwei
verschiedene Haltungen feststellen zu lassen. Junge Menschen, die
"Computer"-Sprachen oder allgemein die Steuerung digitaler Systeme
lernen, scheinen keine Widerstände gegen
Redundanz, d.h. gegen die Wiederholung desselben unter denselben oder auch
veränderten Umständen zu haben. ( Man könnte sagen, dass die Maschinen ihre
Routinen auf die Interaktionszusammenhänge projeziert haben - keine Programm
kommt ohne dauernde Wiederholung und Schlaufenbildung aus.). Ältere Menschen
hingegen wollen direkt zum Punkt - und sei es unter Abstrichen an der
Ausführlichkeit. Sie haben gelernt, dass Information sich im Gebrauch
verschleift - Ungenauigkeiten in der Ansteuerung des Ziels sind also erlaubt,
weil unvermeidlich. Indem sie die Wege, die die Information in ihrer
Verarbeitung (sozusagen selbstbeschreibend) nicht Schritt für Schritt nachvollziehen,
verfehlen sie, im Sinn digitaler Technik, solche zu erzeugen. Einen Punkt, ein
Ziel anzugehen - ohne ausführliche Weg-Selbstbeschreibung - scheint also eher
ein Hindernis zu sein - vorausgesetzt es ist ein spezifisches Ziel (genauso
scheint es unökonomisch zu sein, Fehler in einem komplexem Program-Interface
Gemisch zu suchen und zu eliminieren solange es brauchbare Alternativen gibt). In
gewissser Hinsicht ziellos zu sein, erscheint also als Aufenthaltsberechtigung
für die Oberfläche -
- wobei sich nun die Frage nach der Valenz der
Zwischenräume einschmuggelt.
Uns immer wieder oben, an der Fläche zu
halten, bedeutet ständig zu beschreiben, oder beschreiben zu lassen. Die
Steuerung der Prozesse, die diese Fläche übersichtlich und im Blick halten
erfordern immer stärkere Selbstbeschreibung - also bilden auch sie Oberflächen
aus. Serien von Oberflächen, die mehr oder weniger selbstreferentiell ihren
eigenen Produktionsgesetzen folgen.
Wo entstehen nun aber die Unschärfen, die uns
erlauben, Abstände zu überbrücken - also nicht nur die Ebene zu wechseln, wie
von einer niedrigeren zu einer höheren Programmiersprache - sondern so, dass
vorher Unverbundenes in zufällige, bedeutsame, fragile Konstellationen gebracht
wird?
17.03.03